Wie spreche ich richtig am Mikrofon, Benny Franke? | turi2

2022-10-13 02:06:30 By : Ms. Anne Wong

Matratzen-Akustik: “Je näher ich rangehe, desto mehr Tiefen bekomme ich”, empfiehlt Benny Franke im Fach-Interview zum richtigen Umgang mit Mikrofonen. Der Produktmanager Music Industry beim Audio-Spezialisten Sennheiser weiß: “Je mehr ich von der Seite in das Mikrofon spreche, desto weniger Höhen nehme ich auf”, das reduziert die “S”- und “T”-Laute. Zwei Matratzen in der Ecke verringern die Lautstärke der Schallreflektion. Frankes grundsätzlicher Tipp: Bei der Aufnahme immer mit Kopfhörern arbeiten, um zu hören, was tatsächlich ankommt.    

Mein Mikrofon ist verkabelt, die Aufnahme läuft: Was sollte ich grundsätzlich beim Sprechen am Mikrofon beachten?

Grundsätzlich ist ja das Ziel, die Stimme isoliert aufzunehmen. Das bedeutet: unverfälschter Klang meiner Stimme, ohne Raum- und Umgebungsgeräusche. Außerdem möchte ich locker und natürlich rüberkommen. Meine relative Position zum Mikrofon hilft, diesen unverfälschten Klang zu schaffen.

Hier gibt es zwei Parameter, mit denen ich spielen kann. Für die allermeisten Mikrofone gilt: Je näher ich rangehe, desto mehr Tiefen bekomme ich und desto größer wird der Lautstärkeunterschied zwischen mir und dem Raum.

Das Zweite ist, je mehr ich von der Seite in das Mikrofon spreche, desto weniger Höhen nehme ich auf. Ein Beispiel: Ich möchte einen Radiomoderatoren-Sound erzeugen. Ich persönlich habe eine Zahnlücke zwischen meinen Schneidezähnen und somit relativ starke “S”-Laute. Ich versuche also, sehr nah ans Mikrofon zu gehen, spreche aber leicht über das Mikrofon hinweg.

Es empfiehlt sich, hier immer mit Kopfhörern zu arbeiten und zu hören, was tatsächlich ankommt. Wenn man das Mikrofon von oben kommen lässt, kann man es auch an der Nasenspitze enden lassen und untendurch sprechen, das kann eine Menge “S”- und “T”-Laute abmildern.

Welche Art Stativ sollte ich benutzen, wie sollte es aufgestellt sein?

Wie schon gesagt geht es darum, locker und natürlich zu klingen. Das geht nur, wenn ich eine gute Position zum Mikrofon habe und mich dafür nicht total verbiegen muss. Es muss für mich bequem sein. Wenn ich also an einem Tisch sitze und vielleicht noch etwas mit meinen Händen machen muss, ist es ratsam, über einen Boom-Arm nachzudenken, der das Mikrofon von oben über den Tisch kommen lässt. Hier brauche ich natürlich eine stabile Variante und einen Tisch, an den ich das Ding montieren kann.

Wenn mein Schreibtisch das nicht zulässt, brauche ich ein Chorstativ, denn ein normales Mikrofonstativ hat nicht die nötige Reichweite und ein Tischstativ steht mir zum einen im Weg und erreicht zum anderen nicht die von mir gewünschte Mikro-Position.

Ein zweiter wichtiger Punkt bei der Stativwahl ist für mich, ob das Mikrofon in der gewünschten Position bleibt. Gerade bei schweren Mikrofonen und weit ausgefahrenen Stativen kann es sein, dass sich das Stativ nach 20 Minuten langsam nach unten verabschiedet.

Welche Art Poppschutz ist empfehlenswert?

Vielleicht kurz zur Funktion und Daseinsberechtigung eines Poppschutzes. Ein Mikrofon hat eine Membran, wie ein Trommelfell. Wenn ich das Wort “Poppschutz” ausspreche, erzeuge ich bei “Popp” einen deutlich stärkeren Luftdruck als bei “schutz”. Dadurch wird die Membran viel stärker ausgelenkt. Das Wort hat zwei total unterschiedlich laute Silben, obwohl sich das für mich beim Sprechen überhaupt nicht so anfühlt.

Der Poppschutz dient dazu, diese Extreme abzuschwächen. Es gibt sie aus Metall und aus Stoff, integriert ins Mikrofon und extern. Man kann sie sich selbst bauen oder kaufen.

Auch hier gilt wieder: Hören ist das A und O. Wenn ich keine großen Probleme mit meiner Stimme und meinem Mikrofon in der ausgewählten Position habe, brauche ich vielleicht keinen oder nur den kleinen, integrierten Poppschutz. Wenn das nicht reicht, dann kann man sich auch zwei hintereinander bauen.

Was ist in Sachen Raumakustik zu beachten, wenn ich nicht im Studio, sondern in einer Büro-Umgebung bin?

Auch hier muss man sich vielleicht kurz vorstellen, wie Schallreflektion funktioniert. Je nach Beschaffenheit der Oberfläche, auf die der Schall trifft, wird dieser zurückgeworfen.

Man kann sich das so vorstellen als wäre überall ein Mikrofon und ein Lautsprecher direkt nebeneinander. Das Mikrofon nimmt auf, was ankommt und der Lautsprecher wirft das Signal direkt wieder zurück. Wenn ich jetzt eine Matratze vor diese Wand stelle, kann das Mikrofon weniger aufnehmen und der Lautsprecher weniger abgeben.

Alle Physiker müssen jetzt mal weghören. Es wird noch etwas schwieriger: Man bekommt nicht jede Frequenz des hörbaren Spektrums mit einer Matratze erschlagen. Je tiefer die Frequenz, die ich absorbieren möchte, desto dicker muss mein Absorber sein. Das ist, als wenn man am Samstagabend vor einem Club steht und nur die Bässe wummern hört – alle anderen Frequenzen werden von den Wänden verschluckt. Wenn eine Matratze etwa 20 Zentimeter dick ist, ist die Wirkung bei Sprache schon ziemlich gut.

Als nächstes ist es ganz wichtig zu wissen, dass, wenn sich Schall ausbreitet, er bei Verdoppelung der Wegstrecke die Hälfte der Lautstärke verliert. Stehe ich einen Meter von meinem Mikrofon entfernt und einen Meter von der Wand entfernt, muss der Direktschall vom Mund zum Mikrofon einen Meter zurücklegen. Der indirekte Schall geht einen Meter weit an die Wand, wir reflektiert und legt einen weiteren Meter zum Mikrofon zurück. Er wandert also zwei Meter durch den Raum bis zum Mikrofon und ist deswegen nur noch halb so laut. Das ist aber noch immer zu laut für eine Aufnahme.

Zum Schluss muss man noch wissen, dass ein Mikrofon nicht von allen Richtungen gleich gut Schall aufnimmt. Das kann man an der Charakteristik ablesen. Habe ich eine Nieren-Charakteristik, ist das Mikrofon, wenn ich von hinten reinspreche, deutlich leiser als von vorne.

Mit dem Wissen über diese drei Punkte kann ich die für mich beste Position im Raum finden.

Ich stelle zwei Matratzen oder etwas Vergleichbares an die beiden Wände, die mir am nächsten sind. Damit verringere ich die Lautstärke der Reflektionen von den Wänden, für die der Schall den kürzesten Reiseweg hat. Ich stelle das alles in die Ecke, damit der restliche Schall, der von Wänden reflektiert wird, für die ich keine Matratzen mehr habe, eine Riesenwegstrecke zurücklegen muss und somit kaum mehr am Mikrofon ankommt. Die Reflektionen direkt aus der Ecke werden vom Mikrofon (in unserem Fall Nieren-Charakteristik) fast ausgeblendet.

Wenn ich in einem Großraumbüro bin, kann ich das Wissen genauso anwenden. Wo sind meine störenden Quellen? Wo sind die Wände? Ich könnte das Mikrofon mit dem Rücken zu den Störgeräuschen aufstellen und mich soweit wie möglich von Wänden entfernen. Auch hier gilt wieder: Kopfhörer aufsetzen und hören.

Und wenn ich im Hotelzimmer oder Zuhause aufnehme?

Wenn man Zuhause ist, kann man, wenn man will, auch etwas Geld in die Hand nehmen und sich Absorber oder Matratzen kaufen. Im Hotel hat man ja schon mal eine Matratze. Die ist meist sehr schwer, aber wo ein Wille, da ein Weg! Ich habe auch schon Gesang im Hotelzimmer aufgenommen (nicht meinen).

Sollte ich unterwegs ein anderes Mikro benutzen als im Studio?

Wenn du ein tolles Studio hast und ein hochpreisiges Kondensator­mikrofon nutzt, das auch die kleinsten hoch­frequenten Nuancen aufnimmt, wirst du genau das, was du daran so liebst, hassen, wenn du einen Podcast in einer Kneipe aufnimmst.

Je weniger störende Quellen es gibt und je weniger Reflektionen es im Raum gibt, um so mehr kann man sich bei der Auswahl der Technik auf Soundqualität konzentrieren. Wenn der Raum aber Mist ist und überall Geräusche sind (z.B. Klimaanlage oder redende Menschen, die nicht dazu gehören) dann muss ich versuchen, durch Nutzung eines dynamischen Mikrofons die Umgebungs­geräusche auszublenden. Dessen Membran ist deutlich schwerer, leise Geräusche kommen da gar nicht erst an. Auch hier wieder: Kopfhörer auf und hören.

Was sollte ich beachten, wenn ich mit mehreren Gesprächs­partnern und Mikrofonen im selben Raum aufnehme?

Wenn es sich nicht um einen Livestream handelt, kann man im Nachhinein noch viel machen. Aber grundsätzlich würde ich für jeden Sprecher ein Mikrofon mit Nieren-Charakteristik empfehlen. Dann sollten sich alle Sprecher gegenüber sitzen. Bei vier Sprechern wäre das ein Raute. Man kann auch hier wieder das ganze Wissen aus der Raum- und Absorberfrage anwenden. Jedes Mikrofon hat einen Sprecher und drei Störquellen.

Bei einem Livestream sollte man vielleicht noch eine Person haben, die am Mischpult die Lautstärken live bearbeitet und gegebenenfalls auch mal ein Mikrofon stummschaltet. Das Ganze gibt es natürlich auch als Plug-ins oder Hardware, die auch ohne Menschen ganz gut funktioniert.

Benny Franke ist Produktmanager Music Industry beim Audiospezialisten Sennheiser. Zuvor war er selbständiger Tontechniker und hat für Künstlerinnen wie Namika, Fettes Brot und Kraftklub gearbeitet. Für Spotify Live Sessions war er u.a. als Recording Engineer tätig.

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